Schlaues Auto, dumme Wohnung

Forum am Nachmittag“ in Neuhausen präsentiert intelligente Unterstützung für den Alltag 

Es gibt Rennräder aus Karbonfaser, warum nicht auch Rollatoren? Es gibt sie, wie beim Rennrad sind sie sehr leicht und etwas teurer. Das Sitzkissen mit der Wabenstruktur aus der Weltraumforschung ist ebenfalls nicht billig, aber sehr effektiv gegen das Wundsitzen. Das sind zwei von vielen Beispielen, die beim „Forum am Nachmittag“ des Bezirksarbeitskreises Senioren (BAKS) zu sehen und zu hören waren.

In der Hochschule Esslingen hat Tibor Vetter vom Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg für seine Einführung in „Intelligente Hilfsmittel und Assistenzsysteme“ 30 Stunden Zeit. Beim „Forum am Nachmittag“ in der Christuskirche in Neuhausen hatte ihm der BAKS des Evangelischen Kirchenbezirks Bernhausen nur 19 Minuten genehmigt. Sie genügten, um zu vermitteln, welch spannendes Thema das ist. „Wir haben das intelligente, vernetzte Auto, aber eine unintelligente Wohnung“, sagte Tibor Vetter. Dabei sei eine Wohnung, die den Bewohner beschützt und bei Bedarf Hilfe holt, technisch machbar. Er unterschied zwischen Einzelkomponenten, die alleine funktionieren, und komplexen Systemen, hinter denen ein Dienstleister steht. Seine Wohnungstour begann er auf der Toilette, die Urinwerte und das Gewicht des Benutzers messen und weitermelden kann, mit höhenverstellbarem Sitz und Heißluftgebläse. Der Medikamentenspender für einen Monat kann einen Angehörigen informieren, wenn die Tablette nicht genommen wurde. Die Video-Türklingel und der Herdsensor mit automatischer Abschaltung sind generell sinnvoll – wem ist noch nie etwas angebrannt? Ein Display neben der Eingangstür kann beim Weggehen warnen, wenn noch ein Fenster offen oder der Herd noch an ist. Es gibt Systeme, die Inaktivität erkennen, wenn etwa jemand gestürzt ist und sich nicht bewegen kann. „Die Systeme sind mittlerweile zuverlässig“, versicherte Tibor Vetter. Das müssten sie auch sein, denn es könne bei einem Zwischenfall um Leben und Tod gehen. Er verschwieg aber nicht ein großes Problem, den Datenschutz.

Manche „kleinen Helferlein“ sind technisch gar nicht aufwendig, aber pfiffig. Stefanie Schmid, Referentin für Altenhilfe und Pflege in der Samariterstiftung, stellte unter anderem den Teller mit schrägem Boden und Anti-Rutsch-Ring vor, in dem die Suppe von selbst nachläuft. So kann jemand mit nur einer Hand alleine essen. Es gibt Tische mit Handlauf und Waschbecken mit Haltegriffen. Etwas teurer, aber zu kaufen ist auch ein Oberschrank, der dem Nutzer entgegenkommt und auch vom Rollstuhl aus zu erreichen ist.

Nicht am Geld scheitern soll die Wohnberatung, für die es im Landkreis Esslingen sechs Leitstellen gibt und für die sich mehr als 30 Ehrenamtliche engagieren. Der Eigenbeitrag liegt bei 20 Euro. Der Ostfilderner Wohnberater Manfred Braum riet dazu, eine solche Beratung nicht erst dann zu nutzen, wenn es eng werde, sondern vorbeugend. Schon kleine Planungsfehler könnten über die Selbständigkeit entscheiden. So habe jemand teuer sein Bad umgebaut, aber dennoch an der Dusche eine später hinderliche Schwelle von zehn Zentimetern belassen. Die Beratung erstreckt sich von der kleinen Anpassung bis zu Renovierung, Um- und Neubau und informiert über Zuschüsse. Bei Bedarf kommen die Berater auch mehrmals ins Haus. Gleich zu dritt waren die Mitarbeiter von Brillinger Orthopädie aus Tübingen beim „Forum am Nachmittag“ vor Ort und informierten über maßgeschneiderte technische Hilfsmittel.

In Gesprächsgruppen bekamen die rund 50 Zuhörer Antworten auf viele konkrete Nachfragen. Am Ende machte Birgit Keyerleber, Referentin für Seniorenarbeit im Kirchenbezirk Bernhausen, nicht die Technik, sondern zwei andere Knackpunkte aus: Akzeptanz und Finanzierung. Die beste Hilfe hilft nichts, wenn sie ungenutzt in der Ecke steht oder wenn sie sich ein Mensch nicht leisten kann.

Kontakt:  Pfarrer i.R. Richard Genth, Tel. 0711/672 71 30, r-i [dot] genth [at] web [dot] de

Ein Bericht von: Peter Dietrich, Freier Journalist