Jahreslosung 2019

Psalm 34, Vers 15


Unsere Gedanken zur Jahreslosung

„Dona nobis pacem – gib uns Frieden“, heißt es in einem alten Kirchenlied. Nur, passt das eigentlich zur Jahreslosung?

Das wär super, oder? Wenn uns einer Frieden geben würde, wenn wir den bekommen, geschenkt bekommen würden. Dona nobis pacem – Frieden als Geschenk. Das wär doch was! Aber nochmals: Passt’s zu unserer Jahreslosung? Geht’s da um Frieden als ein Geschenk? Dass uns Frieden gegeben wird? Ein Geschenk bekommen ist höchste Passivität. Da kann ich nichts tun als das annehmen, was ich geschenkt kriege.

Das ist Weihnachten.

„Lobt Gott, ihr Christen alle gleich
in seinem höchsten Thron,
der heut‘ schließt auf sein Himmelreich
und schenkt uns seinen Sohn.“
(Evangelisches Gesangbuch, Nr. 27)

An Weihnachten gibt’s Geschenke. Und das größte Geschenk macht uns Gott, weil er ein Mensch wird. Da können wir nichts machen, nichts dazutun. Außer uns freuen über dieses Geschenk, dieses Wunder und’s annehmen, indem wir’s glauben, indem wir ihm vertrauen, indem wir ihn loben und anbeten. Höchste Passivität.

Die Jahreslosung aus Psalm 34,15 ist höchste Aktivität „Suche Frieden und jage ihm nach!“ Da steht nichts vom Geben, nichts vom Schenken. Da steht, dass wir was tun sollen. Das ist eine Aufforderung. Ein Aufruf. Ein Aufrüttler, diese Jahreslosung: Tu was! „Suche Frieden und jage ihm nach!

Dazu 3 Gedanken.

Frieden suchen ist mehr als Idylle finden

Schnee hat was Idyllisches. Jetzt ist er leider schon fast wieder weg. Aber wenn alles so zugeschneit ist, oben auf der Alb, wenn man durch den Schnee spaziert, allein, alles ist weiß, alles ist still, kein Lärm, keine Menschen, nur Winterlandschaft, dann ist es ganz friedlich.

Mein Vater hat erzählt, wie er auf dem Dorf schon als Junge hat mithelfen müssen auf dem Bauernhof. Da gab’s eine Wiese, die war weit vom Dorf weg. Und er musste immer mit dem Pferd und einem Wagen rausfahren zum Futtergras Holen, frisches, für die Tiere. Und bei der Rückfahrt hat das Pferd den Weg immer allein gefunden. Und mein Vater hat sich’s solange auf dem Gras gemütlich gemacht, den Himmel beobachten, das Abendrot, die Wolken, hat den Wind gespürt, gesungen, gesummt, hat sich geborgen gefühlt und frei. Es war ein Gefühl des Friedens und der Ruhe, das er sein Leben lang nicht vergessen hat. Idylle.

Die gibt’s auch in jedem Asterix-Comic, wenn man auf der ersten Seite ein idyllisches Dorf sieht. Und dann steht da: „In Asterix‘ kleinem… Dorf… herrscht tiefer Frieden…“ (Asterix Bd. V, Die goldene Sichel, S. 5)

Kennst Du das? Dieses Gefühl von tiefem Frieden? Wenn alles gut ist, alles schön, Wenn Idylle herrscht? Wenn man am liebsten sagen möchte mit Goethes Faust:
„Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!“

Das ist Idylle. Auch im Gottesdienst lieben wir das ja – oder? – wenn’s idyllisch ist.

Nur wird dann in jedem Asterix-Heft die Idylle gestört, weil die Römer kommen oder sonst jemand. Die schönen Augenblicke verweilen eben nicht. Sie vergehen immer am schnellsten.

Die Weihnachtsidylle ist schnell wieder vorbei – wenn sie überhaupt da war. Die Urlaubsidylle ist ganz schnell weg, wenn uns der Alltag wiederhat und die Arbeit und der Stress. Die Schneeidylle wischt der nächste Regen weg. Die Familienidylle der nächste Streit oder eine Sorge oder auch viele Sorgen. Und dann jagen wir dem nächsten idyllischen Moment hinterher und wenn wir ihn nicht so schnell wieder zu fassen kriegen, sind wir enttäuscht und unzufrieden.

Und wenn wir jetzt einen Blick werfen auf unsre Jahreslosung, dann merken wir, dass da nicht steht: Suche die Idylle und jage ihr nach! Nein! Da steht: „Suche Frieden und jage ihm nach!“ Frieden ist was anderes als Idylle. Das dürfen wir nicht verwechseln. Frieden ist mehr als Idylle.

Frieden ist etwas, das bleibt. Da kommen wir gleich nochmals dazu. Und für den Frieden muss ich was tun. Das macht unsre Jahreslosung deutlich. Frieden fällt nicht vom Himmel. Frieden ist nicht einfach da. Frieden ist überhaupt nicht einfach. Den muss man suchen. Man muss ihm nachjagen. „Verfolgen“ steht da wörtlich. So wie die Polizei einen Verbrecher verfolgt, der sich nicht einfach mal so fangen lässt. Der läuft davon. Genauso läuft im Bild der Jahreslosung der Frieden davon, haut ab, rennt weg. Und wir sollen uns das nicht anschauen wie einen spannenden Krimi und uns überraschen lassen, ob einer ihn wieder einfängt. Nein! Diese Jahreslosung ruft uns zu, ruft DIR zu: „Suche Frieden und jage ihm nach!

Nur, wie sucht man Frieden?

Frieden suchen braucht ganzen Einsatz

Frieden suchen braucht ganzen persönlichen Einsatz. Frieden suchen braucht meinen ganzen persönlichen Einsatz. Das ist das Entscheidende hier: Es geht um mich. Es geht um Dich!

Wir lassen das gern die Politiker machen, nach Frieden suchen. Und hoffentlich suchen die auch nach Frieden mit ganzer Kraft. Oder die Polizei soll für Frieden sorgen. Erinnert Ihr Euch an den G 20-Gipfel vor 1½ Jahren in Hamburg, bei dem das Chaos ausgebrochen ist und die Polizei ist fast nicht dagegen angekommen. Und dann schütteln plötzlich alles die Köpfe und regen sich auf über die Polizei, weil die sich schwer tut damit, den Frieden wiederherzustellen. Die Polizisten bringen ganzen Einsatz. Aber wenn wir das nur der Polizei überlassen für Frieden zu sorgen und nur den Politikern und nur den Profis, dann ist es schlecht bestellt um den Frieden bei uns.

Dass Frieden wird und Frieden herrscht und Frieden bleibt, dafür kann ich auch was tun und Du. Dafür MÜSSEN wir alle was tun. Dafür müssen wir was TUN. Versteht Ihr? Suchen und jagen sind Tunwörter – nicht nur im grammatikalischen Sinn, sondern ganz eigentlich.

Das zeigt uns dieses Bild hier zu unsrer Jahreslosung mit dem Labyrinth. Ich habe da diese Krone erst ein bisschen komisch gefunden. Was hat die Krone mit Frieden suchen zu tun? Vielleicht – ich habe die Künstlerin nicht gefragt, ob das jetzt stimmt – aber mir gefällt der Gedanke, dass das eine abgelegte Krone ist. Die hat ja keiner auf dem Kopf.

Wir hätten sie gern auf dem Kopf, oder? Wir sind ja gern so ein kleiner König, der weiß, was er will und sagt, wo’s langgeht. Und wenn’s nicht nach meinem Kopf geht, dann fällt mir schnell ein Zacken aus der Krone. Dann bin ich beleidigt, gekränkt, verschnupft – und ich werde giftig.

Kennt Du das, wenn jemand giftig ist? Wenn Du selber giftig bist auch? Woran merkt man das? An dem, was wir sagen. An den giftigen Worten. An den giftigen Kommentaren. An den kleinen giftigen Bemerkungen. Und deshalb muss, wer Frieden sucht, an den giftigen Worten arbeiten.

Bei den Jahreslosungen ist es ja immer gut, wenn man auch mal auf den Zusammenhang schaut, in dem die stehen. Die Bibel besteht ja nicht aus einer Aneinanderreihung von zitierfähigen Sätzen. Sondern das, was da steht gehört in einen größeren Sinnzusammenhang. Und wenn wir das hier mal machen in Psalm34 und auch nur 2½ Sätze vorher mit lesen anfangen, in Vers 13, dann steht da:

„Wer ist's, der Leben begehrt und gerne gute Tage hätte?
Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden.
Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm nach!“

„Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden.“ Das Frieden Suchen beginnt damit, dass ich meine Zunge im Zaum halte. Dass ich die Wahrheit sage und nicht Lüge. Dass ich Aufbauendes sage und nicht Niederdrückendes. Dass ich den einen Kommentar, das eine Wort NICHT sage. Auch das gehört zur Kunst den Frieden zu suchen, dass ich mir den Kommentar, die bissige Bemerkung, das eine giftige Wort, das mir schon auf der Zunge liegt, dass ich das NICHT sage.

Ich hatte in der Schule einen Lehrer, der hat immer zu uns Schülern gesagt, wenn einer was total Falsches gesagt hat im Unterricht – dann hat der zu uns das Zitat der alten Lateiner gesagt: „Hättest du geschwiegen, wärst du ein weiser Mann geblieben.“ Wenn man das ein bisschen abändert, kann man sagen: „Würdest du im richtigen Augenblick schweigen, dann wärst du ein Friedensstifter.“ „Selig sind, die Frieden stiften“, sagt Jesus, „denn sie werden Gottes Kinder genannt werden.“ (Matthäus 5,9) Und hier steht: „Behüte deine Zunge vor Bösem… Suche Frieden und jage ihm nach.

Das ist nicht einfach. Frieden suchen braucht ganzen Einsatz.

Frieden suchen heißt Jesus finden

Auf unsrem Bild ist ja nicht nur eine Krone, sondern auch ein Labyrinth. Und ich glaube, man muss das so verstehen, dass der Weg von innen nach außen geht. Dass ich meine Krone ablege, meine kleine Königskrone, und den Weg suche nach draußen, zu den anderen. Das ist ein schwieriger Weg. Es ist wie in einem Labyrinth. Da muss man mal umkehren. Da läuft man denselben Weg auch mal zweimal oder dreimal. Da schlägt man sich mal in einer Sackgasse die Nase an, wenn man zu schnell rennt. Und manchmal ist man schier am Verzweifeln, weil man den Weg nicht findet nach draußen.

Deshalb ist es gut, dass es sozusagen einen Experten fürs Frieden Suchen gibt es. Das ist Jesus. Er hat seine göttliche Königskrone abgelegt und ist ein Mensch geworden Und hat sich durch das Labyrinth des Lebens und des Leidens und des Sterbens gekämpft und uns den Weg zum Frieden – nicht nur gezeigt, sondern frei geräumt. Im großen Christushymnus im Kolosserbrief heißt es:

Gott hat durch Christus „alles mit sich versöhnt, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.“ (Kolosser 1,10)

Jesus hat Frieden gemacht – nicht nur gesucht, er hat ihn gemacht. Frieden mit Gott zuerst. Und wer Frieden mit Gott hat, kann Frieden haben mit sich selber und kann Frieden suchen mit anderen.

Und jetzt kommen wir zum Schluss nochmal zu der Frage vom Anfang. Die Jahreslosung sagt ja: „Suche Frieden“! Ist Frieden nicht aber auch ein Geschenk, das uns gegeben wird?

Doch! Frieden mit Gott ist ein Geschenk. Frieden mit Gott kann man nicht machen. Den können wir uns nur von Jesus schenken lassen. Und Jesus gibt uns Frieden ins Herz, wenn wir ihm vertrauen. „Meinen Frieden gebe ich euch“, sagt Jesus (Johannes 14,20).

Er ruft uns nicht im Labyrinth des Lebens von außen zu: Da geht‘s jetzt lang. Und da musst du hin. Sondern er gibt uns seinen Frieden ins Herz durch den heiligen Geist, ist also bei uns und hilft uns, dass wir mit ganzem Einsatz den Frieden suchen, der mehr ist als Idylle.

Jagen wir also dem Frieden nach im neuen Jahr 2019.

Pfarrer Matthias Trick
6. Januar 2019