Jahreslosung 2016

Jesaja 66,13

Sieger Köder - Ihre Kinder wird man auf den Knien schaukeln
© Sieger Köder

Unsere Gedanken zur Jahreslosung

„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“

So lautet die Jahreslosung für das Jahr 2016. Wir aber tröstet eine Mutter?

Auf dem Bild, das Siger Köder zu diesem Bibelvers gestaltet hat, sehen wir eine Frau, die ihre beiden Kinder schützend im Arm hält. Jedes Kind wird von einer Hand umfangen und liebevoll gehalten. Um sich und um die Kinder hat sie ein großes Tuch gebreitet. Darunter ergibt sich beinahe so etwas wie eine warme Höhle, zu der kein Unbefugter Eintritt hat. So ähnlich haben wir früher als Kinder Höhle gespielt und uns darin sicher und geborgen gefühlt.

Liebevoll schaut die Frau ihre Kinder an. Beide sehen ganz fröhlich drein. Das Mädchen scheint mit den Händen und Füßen zu reden. Der Junge schaut vertrauensvoll zur Mutter auf und greift zärtlich verschmitzt mit der Hand ans Kinn. Sie sehen so aus, als würde sie die Nähe der Mutter genießen und sich sehr wohl bei ihr fühlen. Sicher und geborgen wie in einer eigenen kleinen Welt.

Gleichzeitig wirken sie, als seien sie voller Energie. Man kann sich gut vorstellen, dass sie gleich wieder aufspringen und losrennen. Genug gekuschelt. Jetzt ruft das Abenteuer und die spannende Welt da draußen.

So lässt sich Freiheit gut leben, wenn man weiß, dass da jemand ist, zu dem man immer wieder zurück kann.

Mir gefällt dieses Bild, weil es die Spannung zwischen Geborgenheit und Freiheit, zwischen Nähe und Weite so gut ausdrückt.

Schnell mal ankuscheln, aber nicht um auf Dauer zu bleiben, sondern um Kraft zu tanken und Selbstvertrauen. Dann gehe ich wieder hinaus und lebe mein Leben – und ich kann es tun, weil ich weiß, ich bin darin nicht allein.

Unten auf dem Bild sind Häuser angedeutet, eine Stadt. Die Kuppel, die Türme   -   sie verraten uns, dass Jerusalem gemeint ist. Der untere Bildrand verweist auf die Situation, aus der unsere Jahreslosung kommt.

Damals lag die Stadt in Trümmern, der Tempel war zerstört. Die Babylonier hatten die Stadt angegriffen, alles dem Erdboden gleich gemacht und die Israeliten mitgenommen ins Exil nach Babylon. Dort in der Fremde sehnten sich die Israeliten zurück in ihre Heimat, in ihre Stadt, zu ihrem Gott. Würden sie all das je wiedersehen?

Viele passten sich an  - an die neue Zeit, an das neue Land. Bei anderen aber wurde die Sehnsucht nach der alten Heimat immer größer. Als sie 70 Jahre später wieder nach Hause durften, machten sich nur wenige auf den Weg. Die aber waren voller Sehnsucht. Es war doch ihre Heimat gewesen, ihr Land, ihre Stadt – mit dem Tempel ihres Gottes. Hier waren sie zu Hause, hier würde alles wieder gut. Doch als sie in Jerusalem ankamen, platzten ihre Träume wie Seifenblasen. Der Tempel war zerstört, die Häuser eingefallen, das Land lag brach und war mit Unkraut überwuchert. Wie sollten sie es schaffen diese Öde je wieder zum Leben zu erwecken?

Es war, als würde ihre Kraft nur so dahinschwinden, aller Mut sie verlassen. Resigniert und traurig gingen sie förmlich in die Knie.  

„Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet“, spricht Gott ihnen in dieser Situation zu.

Es ist kein schneller Trost. Kein Trostpflaster, das auf die Wunde geklebt wird, und dann ist der Schmerz auch schon wieder vergessen. Israel wird Zeit brauchen, um das Land wieder aufzubauen, Kraft, um durchzuhalten, und Mut, um auch mit Rückschlägen fertig zu werden. Es ist kein schneller Trost, den Gott Israel hier zusagt, aber es ist die Zusage: „Ich werde bei euch sein.“

Zärtlich und tröstend wie ein Mutter, zu der wir kommen können, wenn wir Geborgenheit brauchen und Halt. Aber auch ermutigend und voller Stärke. Eine Stärke, die von ihr auf mich, auf uns übergeht. Weil sie da ist, die Mutter, weil er da ist, Gott, muss ich, müssen wir es nicht allein schaffen.

Mit dieser Zusage gehen wir in ein neues Jahr.

Gott spricht:
„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“

Antje Reinig